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Die Sikh-Religion (Panjabi: ਸਿੱਖੀ, sikhī) ist eine im 15. Jahrhundert n. Chr. entstandene monotheistische Religion, die auf den Wanderprediger Guru Nanak zurückgeht. Die im Punjab (Nord-Indien) gegründete Religionsgemeinschaft wird weltweit als Sikhismus bezeichnet und hat heute rund 25 bis 27 Millionen Anhänger, wovon die Mehrzahl in Indien lebt.
Die Sikh-Religion betont die Einheit der Schöpfung und verehrt einen gestaltlosen Schöpfergott, der weder Mann noch Frau ist. Weitere wesentliche Merkmale sind die Abkehr von „Aberglauben“ und traditionellen religiösen Riten, wie sie zum Beispiel im Hinduismus vorherrschen. Obwohl das Kastensystem den Alltag der Sikhs durchdringt, weil es im indischen Alltag übermächtig ist, wird es abgelehnt. In der religiösen Praxis gibt es verschiedene formale Vorgaben zum Beispiel bezüglich Kleidung, Namensgebung und Auftreten.
Die Sikh-Religion orientiert sich nicht an der Einhaltung religiöser Dogmen, sondern hat das Ziel, religiöse Weisheit für den Alltag nutzbar und praktisch zu machen. Guru Nanak sowie seine neun nachfolgenden Gurus (religiöse Vorbilder/Lehrer) unterstreichen in ihren Einsichten, die schriftlich in dem Werk Sri Guru Granth Sahib überliefert sind, ihr Verständnis, über vorhandene Religionen hinauszugehen, und distanzieren sich inhaltlich von den dominierenden religiösen Traditionen ihres Zeitalters, darunter Buddhismus, Hinduismus und Islam.
Verbreitung
Über 80 Prozent der rund 25 bis 27 Millionen Sikhs (wörtlich Schüler) leben in der indischen Ursprungsregion: in den Bundesstaaten Punjab und Haryana sowie in den Unionsterritorien Delhi und Chandigarh. Von diesen knapp 19 Millionen indischen Sikhs leben 75 Prozent im Bundesstaat Punjab. In Indien bilden Sikhs mit rund zwei Prozent Bevölkerungsanteil die viertgrößte Religionsgemeinschaft des Landes.
In Nordamerika (rund 530.000), Großbritannien (rund 230.000) sowie in südostasiatischen Staaten, vor allem in Malaysia, Singapur und Thailand, leben zusammengenommen mehr als eine Million Sikhs. In Deutschland leben über 25.000 Sikhs,] vor allem in Ballungszentren wie Frankfurt am Main, Köln, Hamburg, München und Stuttgart. In Österreich leben knapp 2.800 Sikhs (Stand 2001). In der Schweiz sind keine genauen Zahlen bekannt, die Zahl wird auf etwa 2000 geschätzt. Zur Zeit gibt es in der Schweiz drei Gurdwaras. Im Gegensatz zu Großbritannien, Kanada und den USA, wo Sikhs weithin bekannt sind und auch wichtige staatliche Ämter bekleiden, sind sie in Mitteleuropa aufgrund ihrer relativ geringen Zahl eher unbekannt. In Essen kam es 2016 zu einem Sprengstoffanschlag durch zwei als salafistisch eingestufte Jugendliche auf das Gebetshaus der Sikh-Gemeinde Gurdwara Nanaskar.
Praktizierende Sikhs, vor allem männliche Religionsanhänger, erkennt man an einem kunstvoll gebundenen Turban (Dastar). Die Kopfbedeckung samt ungeschnittenem Haar – eine Tradition, die zu Zeiten der Gurus fortschreitend an Bedeutung gewann – drückt entsprechend dem Selbstverständnis der Sikhs Weltzugewandtheit, Nobilität und Respekt vor der Schöpfung aus. Der Turban darf zu jeder Zeit und an jedem Ort getragen werden. Im Alter zwischen 12 und 16 Jahren bekommen die Jungen in der Dastar-bandi-Zeremonie, die im Gurdwara stattfindet, ihren ersten Turban überreicht. Manche Sikh-Frauen, besonders in England, tragen ebenfalls einen Dastar.
Sikhs, die sich in die Bruderschaft des Khalsa Panths initiieren lassen, heißen Amritdharis und tragen nach der Taufe die fünf Ks.
Sikhs tragen in der Regel gleichlautende Nachnamen. Als Ausdruck von Geschwisterlichkeit tragen Sikh-Männer den gemeinsamen Nachnamen Singh (Löwe), Frauen heißen mit Nachnamen Kaur (Prinzessin; grammatikalisch richtig: Prinz). Die Namensgebung wurde von Guru Gobind Singh im 17. Jahrhundert eingeführt.
Die Verwendung der gleichen Namen soll einen Kontrapunkt zu der in Indien verbreiteten sozialen Hierarchisierung (gemeint ist das Kastenwesen) darstellen, die sich in den Nachnamen zeigt. Dennoch verwenden manche Sikhs noch einen Nachnamen, zum Beispiel den ihrer Vorfahren oder ihres Herkunftsortes; zuweilen stellen sie ihren Beruf vor den Namen oder verwenden als getaufte Sikhs den Zunamen Khalsa.
Männliche Sikhs werden mit Sardar oder dem eher ländlichen Bhaiji oder Bhai Sahib („Bruder“) angesprochen, weibliche mit Sardarni, Bibiji („Frau“) oder Bhainji („Schwester“).
Ein Gurdwara („Tor zum Guru“) ist ein Tempel der Sikh. Gurdwaras werden immer dort errichtet, wo die Anzahl der Sikhs es rechtfertigt, einen solchen zu bauen. In Gurdwaras beten die Sikh und halten Gebetsgesänge (Shabad Kirtan) ab. Gurdwaras stehen allen Menschen unabhängig von ihrer Konfession offen. So weisen z. B. im bekanntesten Tempel, dem Goldenen Tempel von Amritsar, vier Eingänge in die vier Himmelsrichtungen, um zu zeigen, dass die Sikhs allen Menschen offen gegenüberstehen und sie willkommen heißen in ihrem Tempel.
Jeder, der einen Gurdwara betritt, ist zum Tragen einer Kopfbedeckung verpflichtet. Dagegen ist eine Verbeugung vor dem Altar, auf dem der Guru Granth Sahib aufbewahrt wird, keine allgemeine Pflicht, sondern drückt nur die Ehrerbietung gegenüber den Gurus aus. In den meisten Gurdwaras ist vor dem Altar ein Kästchen zum Einwerfen von Geld angebracht. Für Besucher eines Gurdwaras ist es mittlerweile Sitte, eine Spende einzuwerfen, jedoch keineswegs Pflicht. Das Geld wird kurz vor der Verbeugung eingeworfen, der Betrag ist frei wählbar. Manche große Gurdwaras sind rund um die Uhr zugänglich. Getrennt wird der Gurdwara entsprechend indischer Kultur in Bereiche für Männer und Frauen, wobei kleine Kinder sich meistens bei ihren Müttern befinden. Trotzdem ist es gestattet, sich auf die Seite des anderen Geschlechtes zu setzen. Gesessen wird im Schneidersitz und auf dem Boden.
Morgens, mittags und abends findet ein gemeinsames vegetarisches Mahl statt, das Langar. Es wird durch die Spenden finanziert und von ehrenamtlich arbeitenden Sikhs selber zubereitet. Hauptbestandteile eines solchen Langars sind meistens die Linsensuppe Dal, die oft auch Speise der Armen ist und daher die Gleichheit aller Menschen betont, und Chapati roti, manchmal auch Reis und Sabji, Mischgemüse.
Während der gemeinsamen Gottesdienste in den Andachtsstätten wird aus dem Siri Guru Granth Sahib vorgelesen. Das heilige Buch der Sikhs (vormals bekannt als Adi Granth) ist heute das anerkannte heilige Schriftstück der Sikhs, die höchste Instanz. In ihm befinden sich Lieder, Hymnen und Gedichte. Diese Schriftvorlesungen werden von einem „Granthi“ vorgenommen, der die heiligen Texte ausgiebig studiert hat. Grundsätzlich kann jeder Sikh, Mann oder Frau, als Granthi wirken.
Die Frage des Fleischverzehrs wird in der Sikh-Religion kontrovers diskutiert. Es gibt sowohl Sikhs, die Fleisch verzehren, als auch Vegetarier. Getaufte Sikhs, die dem Khalsa Panth angehören, heißen Amritdharis und sind strikte Vegetarier.
Im Sikh Rehat Marayada, dem Code der Verhaltensnormen, sind Tabak (den Guru Gobind Singh als „jagat jhoot“, die Lüge der Welt, bezeichnete), alkoholische Getränke und andere Drogen, die den Geist beeinflussen, untersagt.
Die Sikhs glauben an den einen höchsten Gott, der weder männlich noch weiblich ist. Der Guru Granth Sahib, das Heilige Buch, beginnt mit dem „Mul Mantar“, d. h. „Wurzel-Mantra.“ Es ist das Glaubensbekenntnis:
ੴ EIN Gott!
ਸਤਿ ਨਾਮੁ = Sein Name ist die Wahrheit (Er ist wahr)
ਕਰਤਾ ਪੁਰਖੁ = Er ist der Schöpfer
ਨਿਰਭਉ = Ohne Furcht
ਨਿਰਵੈਰੁ = Ohne Hass
ਅਕਾਲ ਮੂਰਤਿ = Er ist unsterblich
ਅਜੂਨੀ ਸੈਭੰ = Ohne Geburt und Tod
ਗੁਰ ਪ੍ਰਸਾਦਿ = Offenbart durch den wahren Guru
॥ ਜਪੁ ॥ Singen = und Meditieren, Beten
ਆਦਿ ਸਚੁ ਜੁਗਾਦਿ ਸਚੁ ॥ = Wahr im Beginn. Wahr durch alle Zeiten.
ਹੈ ਭੀ ਸਚੁ ਨਾਨਕ ਹੋਸੀ ਭੀ ਸਚੁ ॥੧॥ = Wahr hier und jetzt. Guru Nanak sagt, er wird für immer wahr bleiben.
Guru Nanak Dev 1469–1539
Guru Angad Dev 1504–1552
Guru Amar Das 1549–1574
Guru Ram Das 1534–1581
Guru Arjan Dev 1563–1606
Guru Har Gobind 1595–1644
Guru Har Rai 1630–1661
Guru Har Krishan 1656–1664
Guru Tegh Bahadur 1621–1675
Guru Gobind Singh 1666–1708
Der Sikhismus wird oft mit dem Hinduismus oder dem Islam gleichgesetzt. Aufgrund ihrer Kopfbedeckung werden Sikhs häufig mit Muslimen verwechselt.
Die öffentliche Darstellung der Sikh-Religion wird von ihren Anhängern zuweilen als irreführend empfunden. Die Sekundärliteratur beruht zum Teil auf historisch zweifelhaften Quellen. Außerdem führt die Reproduktion von bereits verfestigten Fehldarstellungen und -übersetzungen weiterhin zu falschen Darstellungen. Nur wenige Bücher und Internetseiten beruhen auf einem quellenkritischen Ansatz und den ursprünglichen schriftlichen Niederlegungen der Gurus. Dies liegt nicht zuletzt an der Sprachbarriere. Die sprachlichen Feinheiten und die Metaphern des Guru Granth Sahib sind ohne Hintergrundwissen nicht angemessen zu verstehen. Analysen von Lexikonbeiträgen und Internettexten, Publikationen und Übersetzungen zeigen, dass nach wie vor verfälschende Auslegungen des Guru Granth Sahib kursieren, die auf ethnozentristische Interpretationen durch westliche Wissenschaftler und brahmanische Gelehrte seit dem 19. Jahrhundert zurückgehen.
Quelle: www.wikipedia.de/Sikhismus/